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Der neue Auslandstätigkeitserlass ab 2023

Der Autor ist seit Jahrzehnten ausgewiesener Lohnsteuer-Experte. Er ist bekannt durch Fachbeiträge und Vortragsveranstaltungen auf dem Gebiet der Arbeitnehmerbesteuerung und war langjähriger Lohnsteuerreferent in der Steuerabteilung des Finanzministeriums NRW in Düsseldorf.

Seit dem 01.01.2023 setzt die Steuerfreistellung nach dem Auslandstätigkeitserlass – und das ist eine deutliche Verschärfung gegenüber der bisherigen Regelung – eine 10%ige Mindestbesteuerung im Ausland voraus.

Der Auslandstätigkeitserlass (ATE) der seit 1984 an die Stelle des früheren Montageerlasses aus dem Jahr 1970 getreten war, wurde mit Wirkung ab 01.01.2023 umfassend überarbeitet (BMF-Schreiben vom 10.06.2022 – IV C 5 – S 2293/19/10012 :001; BStBl 2022 I S. 997). Genau genommen handelt es sich um eine Billigkeitsmaßnahme, mit der Deutschland auf eine Besteuerung ausländischer Einkünfte unter Anwendung des Progressionsvorbehalts verzichtet. Hat der Arbeitgeber den Arbeitslohn nicht nach dem Auslandstätigkeitserlass steuerfrei belassen, kann der Arbeitnehmer den Verzicht auf die Besteuerung bei seinem Wohnsitzfinanzamt beantragen.

Keine Begünstigung von Arbeitslohn aus inländischen öffentlichen Kassen

Die Anwendung des Auslandstätigkeiterlasses ist ausgeschlossen, soweit der Arbeitslohn unmittelbar oder mittelbar aus inländischen öffentlichen Kassen – einschließlich der Kassen des Bundeseisenbahnvermögens und der Deutschen Bundesbank – gezahlt wird. Etwas anderes gilt nur, wenn die Tätigkeit im Rahmen eines durch andere Träger bzw. weitere Institutionen, die keine inländische öffentliche Kasse sind (z. B. Institutionen der EU), kofinanzierten Projekts ausgeübt wird. Im Falle einer derartigen Mischfinanzierung sind die Zahlungen aufzuteilen. 

Beispiel einer Mischfinanzierung: Das Unternehmen (inländische öffentliche Kasse) entsendet seinen Arbeitnehmer im Rahmen eines zu 75 % mit Haushaltsmitteln des Bundes und zu 25 % mit Mitteln der EU dotierten Entwicklungshilfeprojekts für drei Jahre in den Staat S (kein DBA mit Deutschland). Der Arbeitnehmer behält seinen Wohnsitz in Deutschland bei und bezieht sein Gehalt weiterhin ausschließlich von der inländischen öffentlichen Kasse. Im Rahmen der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegt der Arbeitslohn der Besteuerung. Der Auslandstätigkeitserlass findet grundsätzlich Anwendung, da eine Projektförderung aus inländischen öffentlichen Mitteln zu mindestens 75 % vorliegt. Soweit das Projekt aus einer inländischen öffentlichen Kasse finanziert wird, ist die Steuerbefreiung nach dem ATE ausgeschlossen. Soweit das Projekt aus Mitteln der EU finanziert wird, liegt hingegen kein Arbeitslohn aus inländischen öffentlichen Kassen vor. Somit sind 25 % des Gehalts steuerfrei und unterliegen lediglich dem Progressionsvorbehalt.

Keine Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses bei bestehendem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)

Die Steuerfreiheit nach dem Auslandstätigkeitserlass ist ausgeschlossen, wenn die Tätigkeit in einem Staat ausgeübt wird, mit dem ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) besteht, in das Arbeitnehmereinkünfte einbezogen sind. Unter den Auslandstätigkeitserlass fallende Staaten sind beispielsweise Afghanistan, Brasilien, Chile, Dominikanische Republik, Libyen, Macau, Nigeria, Peru und Saudi-Arabien. Eine Übersicht der Staaten, mit denen am 01.01.2023 ein DBA bestand, enthält das BMF-Schreiben vom 18.01.2023 – IV B 2 – S 1301/21/10048 :002.

Seit dem 01.01.2023 ist eine 10%ige Mindestbesteuerung im Ausland erforderlich

Der Steuerpflichtige muss seit Beginn des Jahres nachweisen, dass die Lohneinkünfte – das ist der Arbeitslohn abzüglich der damit in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Werbungskosten – in dem Staat, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer in einer durchschnittlichen Höhe von mindestens 10 % unterliegen. 

Eine derartige Mindestbesteuerung war bisher nicht Voraussetzung für die Steuerfreiheit in Deutschland. Außerdem muss nachgewiesen werden, dass die auf die Einkünfte festgesetzte Steuer tatsächlich entrichtet wurde. Zur Ermittlung der durchschnittlichen Steuerbelastung sind die Lohneinkünfte nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln.

Beispiel zur Mindestbesteuerung: Der Angestellte eines international tätigen Unternehmens im Bereich des Anlagenbaus erhält für seinen zehnmonatigen Einsatz zur Inbetriebnahme einer Fabrik im Staat S (kein DBA mit Deutschland) ein Gehalt i.H.v. 110.000 €. Die nach deutschem Recht ermittelten Werbungskosten, die mit dieser begünstigten Tätigkeit in Zusammenhang stehen, betragen 10.000 €. Seinen Wohnsitz in Deutschland behält der Arbeitnehmer bei. Auf das Gehalt zahlt er in S ausweislich des von ihm vorgelegten Steuerbescheides eine der deutschen Einkommensteuer entsprechende Steuer in Höhe von umgerechnet 9.000 €. Bezogen auf die Einkünfte von 100.000 € ergibt sich ein durchschnittlicher Steuersatz von 9 %. Da dieser unter 10 % liegt, findet die Steuerbefreiung nach dem neuem Auslandstätigkeitserlass keine Anwendung. Die im Ausland gezahlte Steuer kann allerdings unter den Voraussetzungen des § 34c EStG auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet oder bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden.

Steuerfreistellung nur bei Vorlage einer Freistellungsbescheinigung

Der Verzicht auf die Besteuerung im Lohnsteuerabzugsverfahren ist vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer beim Betriebsstättenfinanzamt zu beantragen (Freistellungsbescheinigung). Es ist lediglich glaubhaft zu machen, dass die nach deutschem Recht ermittelten Einkünfte im Tätigkeitsstaat voraussichtlich einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer unterliegen. Der Nachweis über die tatsächliche Besteuerung ist erst im Veranlagungsverfahren erforderlich. 

Die Freistellungsbescheinigung darf rückwirkend nur erteilt werden, solange der Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug noch ändern darf. Andernfalls muss der Arbeitnehmer den Verzicht auf die Besteuerung bei seinem Wohnsitzfinanzamt durch Abgabe einer entsprechenden Einkommensteuererklärung beantragen. Dieser Antrag ist spätestens bis zum Eintritt der Bestandskraft des Steuerbescheids zu stellen. Soweit der BFH entschieden hatte, dass die Anwendung des ATE erst durch die Festsetzungsverjährung und nicht bereits durch die Bestandskraft der Steuerfestsetzung begrenzt wird (BFH-Urteil vom 17.06.2020 – I R 7/18), folgt die Finanzverwaltung dieser Sichtweise leider nicht (Rz. 19 letzter Satz des BMF-Schreibens vom 10.06.2022 – IV C 5 – S 2293/19/10012 :001; BStBl 2022 I S. 997).

Aufzeichnungspflichten des Arbeitgebers

Die Freistellungsbescheinigung ist als Beleg zum Lohnkonto zu nehmen. Der begünstigte Arbeitslohn ist im Lohnkonto und in der Lohnsteuerbescheinigung getrennt von dem übrigen Arbeitslohn anzugeben. Für Arbeitnehmer, die während des Kalenderjahres nach dem Auslandstätigkeitserlass steuerfreien Arbeitslohn bezogen haben, darf der Arbeitgeber weder die Lohnsteuer nach dem voraussichtlichen Jahresarbeitslohn (sog. permanenter Jahresausgleich) ermitteln noch einen betrieblichen Lohnsteuer-Jahresausgleich durchführen. Die abschließende Prüfung der Steuerfreistellung des Arbeitslohns erfolgt letztlich im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer.

Begünstigte Tätigkeiten

Die nach dem Auslandstätigkeitserlass begünstigten Tätigkeiten sind im BMF-Schreibens vom 10.06.2022 abschließend aufgezählt. Die Steuerfreistellung in Deutschland greift danach bei Auslandstätigkeiten für einen in Deutschland oder in der EU/dem EWR ansässigen Arbeitgeber im Zusammenhang mit 

Nicht nach dem Auslandstätigkeitserlass begünstigt sind insbesondere die Tätigkeit des Bordpersonals auf Seeschiffen, die Produktion von Schiffen im Ausland, die finanzielle Beratung mit Ausnahme der vorstehenden Nr. 5, das Einholen von Aufträgen, ausgenommen die Beteiligung an Ausschreibungen sowie die Tätigkeit im Bereich der humanitären Hilfe. 

Wartungsarbeiten an Verkehrsflugzeugen im laufenden Flugbetrieb sind ebenfalls nicht begünstigt. Die Wartung und Instandsetzung von bereits angeschafften Fliegern führt weder zu einer nachhaltigen Förderung gesamtwirtschaftlicher Ziele in Deutschland noch erfährt die Allgemeinheit hierdurch einen über das Normalmaß hinausgehenden Vorteil (Urteil des FG Hessen vom 23.03.2020 – 3 K 831/12).

Mindesttätigkeitsdauer im Ausland erforderlich

Die Auslandstätigkeit muss mindestens drei Monate ununterbrochen ausgeübt werden. Und zwar in Staaten, mit denen kein DBA besteht, in das Lohneinkünfte einbezogen sind. Sie beginnt mit Antritt der Reise ins Ausland und endet mit der endgültigen Rückkehr ins Inland. 

Eine vorübergehende Rückkehr ins Inland oder ein kurzer Aufenthalt in einem Staat, mit dem ein DBA besteht, in das Lohneinkünfte einbezogen sind, gelten bis zu einer Gesamtaufenthaltsdauer von zehn vollen Kalendertagen innerhalb der Drei-Monats-Frist nicht als Unterbrechung der Auslandstätigkeit, wenn sie zur weiteren Durchführung oder Vorbereitung eines begünstigten Vorhabens notwendig sind. Entsprechendes gilt bei längeren Auslandstätigkeiten entsprechend für die jeweils letzten drei Monate. 

Eine Unterbrechung der Tätigkeit im Falle eines Urlaubs oder einer Krankheit ist unschädlich. Und zwar unabhängig davon, wo sich der Arbeitnehmer während der Unterbrechung aufhält. Zeiten der unschädlichen Unterbrechung sind bei der Dreimonatsfrist nicht mitzurechnen. Als unschädliche Unterbrechung gelten auch Freizeitblöcke (inkl. eingeschlossener arbeitsfreier Wochenenden und Feiertage) während einer begünstigten Auslandstätigkeit, wenn die Auslandstätigkeit insgesamt mindestens drei Monate in Staaten ausgeübt wird, mit denen kein DBA besteht, in das Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einbezogen sind.

Wurde oder wird eine nach dem Auslandstätigkeitserlass begünstigte und für mindestens drei Monate geplante Auslandstätigkeit aufgrund der Corona-Krise unterbrochen oder beendet, ist das Nichterreichen der Mindestdauer von drei Monaten unschädlich. Die Steuerfreiheit des Arbeitslohns gilt in diesen Fällen für den tatsächlich weniger als drei Monate andauernden Auslandseinsatz. Wird eine im Ausland vorgesehene Tätigkeit wegen der Corona-Krise im Inland ausgeübt oder fortgesetzt, ist der hierauf entfallende Arbeitslohn nicht nach dem ATE steuerfrei.

Welcher Arbeitslohn wird über die Steuerfreistellung begünstigt?

Zum begünstigten Arbeitslohn gehören neben den „normalen“ Bezügen die folgenden Einnahmen, soweit sie für eine nach dem Auslandstätigkeitserlass begünstigte Auslandstätigkeit gezahlt werden: Zulagen, Prämien oder Zuschüsse des Arbeitgebers für Aufwendungen des Arbeitnehmers, die durch eine begünstigte Auslandstätigkeit veranlasst sind, oder die entsprechende unentgeltliche Ausstattung oder Bereitstellung durch den Arbeitgeber, Weihnachtszuwendungen, Erfolgsprämien oder Tantiemen. 

Ebenfalls steuerfrei ist Arbeitslohn, der auf den Urlaub – einschließlich eines angemessenen Sonderurlaubs aufgrund einer begünstigten Tätigkeit – entfällt, Urlaubsgeld oder Zahlungen als Urlaubsabgeltung sowie Lohnfortzahlungen aufgrund einer Erkrankung während einer begünstigten Auslandstätigkeit bis zur Wiederaufnahme dieser oder einer anderen begünstigten Tätigkeit oder bis zur endgültigen Rückkehr ins Inland. Werden solche Zuwendungen nicht gesondert für die begünstigte Tätigkeit geleistet, so sind sie aufzuteilen.

Progressionsvorbehalt beachten

Die nach dem Auslandstätigkeitserlass steuerfreien Einkünfte unterliegen dem Progressionsvorbehalt. Nicht vom Progressionsvorbehalt betroffen sind hingegen Einnahmen, die – wie z. B. Reisekosten – bereits auf Grund ausdrücklicher Regelung im EStG selbst vom Arbeitgeber steuerfrei gezahlt werden können. 

Resümee

Ungeachtet der ab 01.01.2023 für die Steuerfreistellung in Deutschland geforderten Mindestbesteuerung im Ausland von 10% bleibt festzuhalten, dass der Auslandstätigkeitserlass eine beachtenswerte Steuervergünstigung darstellt. Man kann letztlich – bezogen auf den in Deutschland geltenden Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer in Höhe von 45 % eine Steuerentlastung von 35% realisieren. Das sollte weiterhin hinreichender Anreiz für sicherlich oftmals strapaziöse Auslandstätigkeiten sein. Und genau das ist mit der seit 1970 geltenden Regelung ausdrücklich beabsichtigt.

Disclaimer

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