Wird Arbeitslohn steuerlich gleichbehandelt, gleichgültig ob es sich um eine Geldleistung oder um einen Sachbezug handelt? So einfach ist die Sache nicht. Während Barlohn grundsätzlich mit dem nominellen Betrag der Lohnbesteuerung unterliegt, gibt es für Sachbezüge eine monatliche Freigrenze von 50 € sowie eine günstige Pauschalbesteuerungsmöglichkeit mit 30 %. Die Finanzverwaltung hat in einer viel beachteten Verwaltungsregelung ihre Auffassung zur Abgrenzung von Geldleistung und Sachbezug bekannt gemacht (BMF-Schreiben vom 15.03.2022 –IV C 5 – S 2334/19/10007: 007, BStBl 2022 I S. 242). Im Folgenden erfahren Sie die praxisrelevanten Einzelheiten.
Gesetzliche Definition Sachbezug
Bereits mit Wirkung ab 01.01.2020 hatte der Gesetzgeber den Begriff der Sachbezüge im Einkommensteuergesetz (EStG) selbst definiert. Seitdem ist geregelt, dass zweckgebundene Geldleistungen, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten, grundsätzlich keine steuerbegünstigten Sachbezüge sind, sondern voll steuerpflichtige Geldleistungen.
Andererseits werden zweckgebundene Gutscheine (einschließlich entsprechender Gutscheinkarten, digitaler Gutscheine, Gutscheincodes oder Gutscheinapplikationen bzw. Apps) sowie entsprechende Geldkarten (einschließlich Wertguthabenkarten in Form von Prepaid-Karten) ausdrücklich als Sachbezug definiert.
Voraussetzung für die Annahme eines Sachbezugs ist, dass die Gutscheine oder Geldkarten ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen beim Arbeitgeber oder einem Dritten berechtigen. Außerdem müssen Sie bestimmte Kriterien des § 2 Abs. 1 Nr. 10 Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) erfüllen. Und eben diese Kriterien müssen Sie ab 01.01.2022 prüfen, um Geldleistung und Sachbezug zutreffend abzugrenzen.
Die Kriterien des § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a ZAG
Begünstigte Sachbezüge sind Gutscheine oder Geldkarten, falls diese dazu berechtigen, ausschließlich Waren oder Dienstleistungen vom Aussteller des Gutscheins oder der Geldkarte aus deren eigenen Produktpalette zu beziehen. Das gilt unabhängig davon, ob der Gutschein bzw. die Geldkarte eine Mengen- oder eine Betragsangabe enthält.
Sie können Arbeitnehmern damit einen begünstigten Sachbezug in Form eines Tankgutscheins oder einer Tankkarte eines einzelnen Tankstellenbetreibers zum Bezug sämtlicher Waren oder Dienstleistungen in dessen Tankstelle bis zu einem Betrag von 50 € monatlich steuerfrei zukommen lassen.
Doch Vorsicht: Die monatliche Sachbezugsfreigrenze gilt für sämtliche Sachbezüge dieses Monats und nicht etwa je Gutschein. Der Sitz des Gutschein- bzw. Kartenausstellers sowie dessen Produktpalette sind nicht auf das Inland beschränkt.
Ebenfalls begünstigte Sachbezüge sind Gutscheine oder Geldkarten, mit denen ausschließlich Waren oder Dienstleistungen aufgrund von Akzeptanzverträgen zwischen dem Aussteller/Emittent des Gutscheins/der Geldkarte und Akzeptanzstellen bei einem begrenzten Kreis von Akzeptanzstellen in Deutschland bezogen werden können. Ein begrenzter Kreis von Akzeptanzstellen in diesem Sinne liegt etwa vor
- bei städtischen Einkaufs- und Dienstleistungsverbünden in Deutschland oder im Internet-shop der jeweiligen Akzeptanzstelle,
- bei Einkaufs- und Dienstleistungsverbünden, die sich auf mehrere benachbarte Städte und Gemeinden im ländlichen Raum erstrecken,
- bei Einkaufs-und Dienstleistungsverbünde, die auf die – auch bundeslandübergreifend – unmittelbar räumlich angrenzenden zweistelligen Postleitzahlen(PLZ)-Bezirke begrenzt werden. Dabei werden Städte und Gemeinden, die – etwa wie München – in zwei PLZ-Bezirke fallen, als ein PLZ-Bezirk betrachtet. Beachten Sie, dass die Finanzverwaltung die Auswahl dieser PLZ-Bezirke durch den Arbeitnehmer akzeptiert. Der Arbeitnehmer kann somit den Einsatzraum der Gutscheine und Geldkarten selbst bestimmen.
- bei von einer bestimmten Ladenkette bzw. einem bestimmten Aussteller ausgegebenen Kundenkarten zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen in den einzelnen Geschäften im Inland oder im Internetshop dieser Ladenkette mit einheitlichem Marktauftritt unter einem Symbol, einer Marke oder einem Logo. Die Art des Betriebs ist für die steuerliche Behandlung als Sachbezug unerheblich. Es kann sich daher um eigene Geschäfte, Genossenschafts- oder Konzernverbünde, Agenturen oder Franchisenehmer handeln. Auch hier erlaubt die Finanzverwaltung, dass sich der Arbeitnehmer vor Hingabe des Gutscheins oder vor Aufladung des Guthabens auf die Geldkarte aus verschiedenen Ladenketten je eine auswählen kann.
Begünstigte Sachbezüge sind danach etwa von einer bestimmten Tankstellenkette ausgegebene Tankgutscheine oder Tankkarten zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen in den einzelnen Tankstellen mit einheitlichem Marktauftritt in Form eines Symbols, einer Marke oder eines Logos.
Entsprechendes gilt für einen vom Arbeitgeber selbst ausgestellten Gutschein (z. B. Tankgutschein), wenn die Akzeptanzstellen (d.h. die Tankstelle oder Tankstellenkette) aufgrund des Akzeptanzvertrags unmittelbar mit dem Arbeitgeber abrechnen. Begünstigt sind ferner Centergutscheine oder Kundenkarten von Shopping-Centern, Malls und Outlet-Villages sowie „City-Cards“ oder Stadtgutscheine.
Auch begünstigt sind wiederaufladbare Geschenkkarten für den Einzelhandel sowie Karten eines Online-Händlers, die zum Bezug von Waren und Dienstleistungen aus seiner eigenen Produktpalette (Verkauf und Versand durch den Online-Händler) berechtigen – nicht jedoch, wenn sie auch für Produkte von Fremdanbietern einlösbar sind.
Die Kriterien des § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b ZAG
Begünstigte Sachbezüge sind auch Gutscheine oder Geldkarten unabhängig von einer Betragsangabe, die dazu berechtigen, Waren oder Dienstleistungen ausschließlich aus einer sehr begrenzten Waren- oder Dienstleistungspalette zu beziehen (Beispiel: Kraftstoff und Ladestrom, d.h. „Alles, was das Auto bewegt“). Auf die Anzahl der Akzeptanzstellen und den Bezug im Inland kommt es nicht an.
Die Finanzverwaltung weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die alleinige Bezugnahme auf eine Händlerkategorie (z. B. sog. Merchant Category Code, MCC) nicht zur Annahme von Sachbezug ausreicht. Ein MCC wird verwendet, um ein Unternehmen nach der Art von Waren oder Dienstleistungen zu klassifizieren.
Steuerunschädlich ist es hingegen, wenn zu einer begrenzten Waren-oder Dienstleistungspalette (wie z.B. Fitnessleistungen) Waren oder Dienstleistungen einer anderen Palette (etwa das Angebot von Getränken oder Obst im Fitness-Studio) hinzukommen.
Die Kriterien des § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe c ZAG
Begünstigte Sachbezüge sind schließlich auch Gutscheine oder Geldkarten, die nur dazu berechtigen, aufgrund von Akzeptanzverträgen zwischen Aussteller/Emittent des Gutscheins/der Geldkarte und der jeweiligen Akzeptanzstelle Waren oder Dienstleistungen ausschließlich für bestimmte soziale oder steuerliche Zwecke im Inland zu beziehen.
Begünstigt sind hiernach, worauf die Finanzverwaltung ausdrücklich hinweist, Verzehrkarten in einer sozialen Einrichtung, Papier-Essenmarken und arbeitstägliche Zuschüsse zu Mahlzeiten in Form sog. digitaler Essenmarken. Bis 600 € jährlich steuerfrei sind zudem Karten für betriebliche Gesundheitsmaßnahmen des Arbeitgebers. Auf die Anzahl der Akzeptanzstellen kommt es hier nicht an.
Vor einem weit verbreiteten Irrtum sei in diesem Zusammenhang gewarnt! Ein „begünstigter“ sozialer oder steuerlicher Zweck in diesem Sinne ist nicht allein die Inanspruchnahme der 50 €-Freigrenze, das Vorliegen sog. Aufmerksamkeiten in Form von Blumen und Genussmitteln etwa aus Anlass des Geburtstags eines Arbeitnehmers sowie die angestrebte Inanspruchnahme der 30%igen Pauschalversteuerung nach § 37b EStG.
Nicht begünstigte Gutscheine
Vorsicht bei Gutscheinen und Geldkarten, die zu Bargeld gemacht werden können. Diese sind in keinem Fall als Sachbezug begünstigt, wenn sie über eine Barauszahlungsfunktion oberhalb eines verbleibenden Restguthabens von bis zu einem Euro oder über eine eigene IBAN verfügen, für Überweisungen (z.B. PayPal) oder für den Erwerb von Devisen (z.B. Pfund, US-Dollar, Schweizer Franken) oder Kryptowährungen (Bitcoin, Ethereum) verwendet oder aber als generelles Zahlungsinstrument hinterlegt werden können.
Sonderfall "Gutschein für Gutschein"
Auch bei „Gutscheinen für Gutscheine“, die ausschließlich berechtigen, sie gegen andere Gutscheine oder Geldkarten einzulösen, ist Vorsicht angebracht. Diese werden von der Finanzverwaltung grundsätzlich als nicht begünstigte Geldleistung behandelt. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn durch technische Vorkehrungen und in den zur Verwendung kommenden Vertragsvereinbarungen sichergestellt ist, dass
- die Einlösung nur gegen andere Gutscheine oder Geldkarten erfolgen kann, die ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen beim Arbeitgeber oder bei einem Dritten berechtigen und die ab dem 01.01.2022 die Kriterien des § 2 Abs. 1 Nr. 10 ZAG erfüllen und
- dem Arbeitnehmer das Guthaben erst nach Auswahl des anderen Gutscheins oder der anderen Geldkarte zur Verfügung steht (z. B. Auswahl vor Freischaltung eines Gutscheincodes oder vor Aufladung des Guthabens auf die Geldkarte).
Zuflusszeitpunkt eines Gutscheins
Unabhängig von der Frage, ob ein Gutschein nach den vorstehenden Ausführungen als steuerbegünstigter Sachbezug oder als regulär zu besteuernder Arbeitslohn zu behandeln ist, stellt sich die Frage nach dem steuerlichen Zuflusszeitpunkt der damit verbundenen Vorteile beim Arbeitnehmer. Hier bleibt erfreulicherweise alles beim Alten.
Der Zufluss des Arbeitslohns erfolgt bei einem Gutschein, der bei einem Dritten einzulösen ist, bereits mit Hingabe des Gutscheins, weil der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt einen Rechtsanspruch gegenüber dem Dritten erhält. Ist der Gutschein beim Arbeitgeber selbst einzulösen, fließt Arbeitslohn hingegen erst bei Einlösung des Gutscheins zu.
Auslagenersatz weiterhin steuerfrei
Keine Verschärfung gilt erfreulicherweise für den sog. Auslagenersatz. Die Steuerbefreiung für Beträge, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber erhält, um sie für ihn auszugeben (durchlaufende Gelder) und für Beträge, durch die Auslagen des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber ersetzt werden, bleibt unverändert. Besteht ein eigenes Interesse des Arbeitnehmers an den bezogenen Waren oder Dienstleistungen, liegen jedoch weder steuerfreier Auslagenersatz noch durchlaufende Gelder im Sinne des § 3 Nr. 50 EStG vor.
Beispiel: Als Rahmenprogramm zu einer Fortbildung wird für die teilnehmenden Arbeitnehmer eine Bowling-Veranstaltung durchgeführt. Teilnehmer A bezahlt die Kosten für die Bowling-Bahn sowie sämtliche dort verzehrten Speisen und Getränke. Er lässt sich diese Kosten anschließend vom Arbeitgeber im Wege des Auslagenersatzes erstatten.
Bei der Erstattung der Kosten durch den Arbeitgeber an A handelt es sich – auch hinsichtlich der Erstattung für dessen eigene Teilnahme – um steuerfreien Auslagenersatz im Sinne des § 3 Nr. 50 EStG, da er die Ausgaben für Rechnung des Arbeitgebers geleistet hat. Bei den für Rechnung des Arbeitgebers gewährten Leistungen handelt es sich bei allen teilnehmenden Arbeitnehmern – einschließlich A – um Sachbezüge, auf die die 50 €-Freigrenze sowie bei Überschreiten derselben eine Pauschalbesteuerung zulässig ist.
Zu guter Letzt: kostenfreie Anrufungsauskunft
Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleiben in Bezug auf die dargestellte „sperrige“ Materie naturgemäß Fragen zur praktischen Umsetzung offen. Daran ändert letztlich auch das BMF-Schreiben mit seinen vielen Beispielen nichts.
Von nicht zu unterschätzendem Wert ist daher bei verbleibenden Fragen die Möglichkeit, zur Vermeidung einer späteren Haftungsinanspruchnahme beim lohnsteuerlichen Betriebsstätten-Finanzamt eine – kostenfreie – Anrufungsauskunft einzuholen. Hier muss das Finanzamt auch Fragen des Arbeitgebers zur lohnsteuerlichen Behandlung konkret eingesetzter Gutscheine und Geldkarten beantworten und kann sich nicht hinter allgemeinen Ausführungen verstecken. Die Anrufungsauskunft entfaltet eine Bindungswirkung allerdings nur im Lohnsteuerabzugsverfahren. Das Wohnsitzfinanzamt des Arbeitnehmers ist hieran nicht gebunden.