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Aktuelle Entwicklungen in der betrieblichen Altersversorgung (BAV)

Der Autor ist seit Jahrzehnten ausgewiesener Lohnsteuer-Experte. Er ist bekannt durch Fachbeiträge und Vortragsveranstaltungen auf dem Gebiet der Arbeitnehmerbesteuerung und war langjähriger Lohnsteuerreferent in der Steuerabteilung des Finanzministeriums NRW in Düsseldorf.

Die gesetzliche Rentenversicherung ist der Grundpfeiler für die Altersvorsorge in Deutschland. Die demographische Entwicklung zeigt jedoch, dass zur Daseinsvorsorge im Alter nicht allein auf die gesetzliche Rente gesetzt werden kann. Damit kommt der betrieblichen Altersversorgung (BAV) eine zunehmende Bedeutung zur finanziellen Absicherung der Zeit nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben zu. Im Folgenden werden die wesentlichen steuerrechtlichen Entwicklungen des Jahres 2022 bei Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltungsanweisungen in diesem Bereich aufgezeigt. 

Anhebung der steuerfreien Höchstbeträge für Beiträge zu Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds für 2023

Beiträge für eine Direktversicherung sowie Zuwendungen an Pensionskassen und Pensionsfonds sind bis zu 8 % der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten jährlich steuerfrei. Das gilt unabhängig davon, ob die Beiträge arbeitgeberfinanziert sind oder über eine Gehaltsumwandlung letztlich wirtschaftlich vom Arbeitnehmer selbst getragen werden.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat die Sozialversicherungsrechengrößen-Verordnung 2023 am 06.12.2022 verkündet. Danach steigt die Beitragsbemessungsgrenze für 2023 auf 87.600 € (2022: 84.600 €). Somit beträgt der steuerfreie Höchstbetrag für 2023 p.a. 8% von 87.600 € = 7.008 € (2022: 8% von 84.600 € = 6.768 €).

Klarstellung bei der Insolvenzsicherung

Wird ein Anspruch aus einer Rückdeckungsversicherung ohne Entgelt auf den Arbeitnehmer übertragen oder eine bestehende Rückdeckungsversicherung in eine Direktversicherung umgewandelt, fließt dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Übertragung bzw. Umwandlung ein lohnsteuerpflichtiger geldwerter Vorteil zu, der in der Regel dem geschäftsplanmäßigen Deckungskapital zzgl. einer bis zu diesem Zeitpunkt zugeteilten Überschussbeteiligung der Versicherung entspricht.

In den Lohnsteuer-Richtlinien 2023 wird klargestellt, dass eine Übertragung der Rückdeckungsversicherung auf den Arbeitnehmer im Insolvenzfall unter Umständen steuerfrei ist.

Energiepreispauschale und BAV

Durch das Steuerentlastungsgesetz 2022 wurde in einem neuen Abschnitt XV im EStG eine Energiepreispauschale (EPP) eingeführt. Die Finanzverwaltung hat klargestellt dass die vom Arbeitgeber ausgezahlte EPP als „sonstiger Bezug“ dem Lohnsteuerabzug unterliegt und bei der Berechnung der Vorsorgepauschale nicht zu berücksichtigen ist. Hintergrund hierfür ist, dass auf die EPP keine Sozialversicherungsbeiträge anfallen. Zudem wurde klargestellt, dass  sich die lohnsteuerpflichtige EPP bei der sog. Riesterförderung nicht auf die Mindesteigenbeitragsberechnung auswirkt.

Die EPP ist zwar in der Regel lohnsteuerpflichtig. Sie ist jedoch keine beitragspflichtige Einnahme in der Sozialversicherung und auch keine Besoldung.

BAV-Förderbetrag bei „Freiwilligen Matching-Modellen“

Der BAV-Förderbetrag ist ein staatlicher Zuschuss zu einem vom Arbeitgeber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleisteten Beitrag zur betrieblichen Altersversorgung von Arbeitnehmern mit geringem Einkommen (Bruttoarbeitslohn von monatlich nicht mehr als 2.575 €). Gefördert werden Arbeitgeberbeiträge von mindestens 240 € bis höchstens 960 € im Kalenderjahr. Der staatliche Zuschuss beträgt 30 % des gesamten zusätzlichen Arbeitgeberbeitrags, also mindestens 72 € bis höchstens 288 € im Kalenderjahr.

Zusätzliche Beiträge des Arbeitgebers liegen auch dann noch vor, wenn bei sog. „Freiwilligen Matching-Modellen“ die Höhe der arbeitgeberfinanzierten Beiträge (Erhöhungsbeträge) in Anknüpfung an die Höhe der durch originäre Entgeltumwandlung arbeitnehmerfinanzierten Beiträge bemessen wird. 

Verzicht auf Steuerfreiheit der Beiträge zur BAV ermöglicht Riesterförderung

Beiträge des Arbeitgebers zugunsten des Arbeitnehmers an einen kapitalgedeckten Pensionsfonds, eine kapitalgedeckte Pensionskasse oder für eine kapitalgedeckte Direktversicherung sind in 2022 bekanntlich bis zur Höhe von 6.768 € bzw. in 2023 bis zu 7.008 € (siehe oben) steuerfrei.

Soweit der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltumwandlung hat, kann er verlangen, dass die Beiträge anstelle der Steuerfreiheit individuell versteuert und verbeitragt werden, damit sie die Voraussetzungen für die Riester-Zulage und ggf. einen zusätzlichen Sonderausgabenabzug erfüllen. Der Arbeitnehmer kann den Verzicht auf die Steuerfreiheit zugunsten der Individualbesteuerung auch betragsmäßig oder prozentual begrenzen. In Höhe des Verzichts auf die Steuerfreiheit mindert sich das steuerfreie Volumen für die Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung. Ohne einen derartigen Verzicht kann das steuerfreie Volumen hingegen uneingeschränkt genutzt und daneben für zusätzlich geleistete, individuell zu besteuernde Beiträge die Riester-Förderung in Anspruch genommen werden.

Greift die Fünftelregelung bei Versorgungsbezügen?

Werden Versorgungsbezüge aufgrund einer Direktzusage oder aus einer Unterstützungskasse nicht fortlaufend, sondern in einer Summe gezahlt, handelt es sich um Arbeitslohn für mehrere Jahre. Die Kapitalauszahlung ist bei vorliegender Zusammenballung von Einkünften nach der sog. Fünftelregelung ermäßigt zu besteuern. Die Gründe für eine Kapitalisierung der Versorgungsleistungen sind unerheblich. 

Bei Teilkapitalauszahlungen in mehreren Kalenderjahren ist hingegen die Voraussetzung der „Zusammenballung“ nicht erfüllt. Eine ermäßigte Besteuerung nach der Fünftelregelung kommt hier grundsätzlich nicht in Betracht. 

Hiervon abweichend lässt die Finanzverwaltung in allen offenen Fällen eine ermäßigte Besteuerung nach der Fünftelregelung auch bei geringfügigen Teilleistungen zu. Von einer geringfügigen Teilleistung ist auszugehen, wenn diese nicht mehr als 10% der Hauptleistung beträgt oder niedriger als die tarifliche Steuerbegünstigung der Hauptleistung ist.

Maßgebendes Finanzierungsendalter bei der Bewertung von Pensionsrückstellungen

Bei der Ermittlung des Teilwertes der Pensionsanwartschaft ist das vertraglich vereinbarte Pensionsalter zugrunde zu legen (Grundsatz).

Der Steuerpflichtige kann für alle oder für einzelne Pensionsverpflichtungen von einem höheren Pensionsalter ausgehen, sofern mit einer Beschäftigung des Arbeitnehmers bis zu diesem Alter gerechnet werden kann (erstes Wahlrecht). 

Bei der Ermittlung des Teilwertes der Pensionsanwartschaft kann anstelle des vertraglichen Pensionsalters für alle oder für einzelne Pensionsverpflichtungen als Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles der Zeitpunkt der frühestmöglichen Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung angenommen werden (zweites Wahlrecht). 

Voraussetzung für die Ausübung des zweiten Wahlrechtes ist, dass in der Pensionszusage festgelegt ist, in welcher Höhe Versorgungsleistungen von diesem Zeitpunkt an gewährt werden. Bei der Ausübung des zweiten Wahlrechts braucht nicht geprüft zu werden, ob ein Arbeitnehmer die sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente erfüllen wird. Das zweite Wahlrecht kann zudem unabhängig von der Wahl des Pensionsalters für die Berechnung der unverfallbaren Versorgungsanwartschaften nach § 2 Betriebsrentengesetz ausgeübt werden.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass bei verschiedenen gegenüber einem Arbeitnehmer im Rahmen von Entgeltumwandlungen erteilten Pensionszusagen mit jeweils unterschiedlichen Pensionsaltern nach Wahl des Berechtigten hinsichtlich des jeweiligen Finanzierungsendalters auf die in den einzelnen Zusagen festgelegten Leistungszeitpunkte abzustellen ist (BFH-Urteil vom 20.11.2019 – XI R 42/18, BStBl II 2020 S. 271).

Die Finanzverwaltung wendet die Grundsätze des BFH-Urteils in allen noch offenen Fällen mit folgender Maßgabe an:  Bisher galt die gegenüber einem Pensionsberechtigten getroffene Wahl des bei der Ermittlung des Teilwertes zu berücksichtigenden Pensionsalters einheitlich für die gesamte Pensionsverpflichtung einschließlich eventueller Entgeltumwandlungen. Diese Regelung ist nicht weiter anzuwenden. 

Das zweite Wahlrecht kann somit für unterschiedliche Pensionszusagen des Berechtigten unabhängig voneinander ausgeübt werden. Wurde bei der Teilwertermittlung einer Versorgungsverpflichtung das Pensionsalter in Übereinstimmung mit einer weiteren gegenüber dem Berechtigten erteilten Zusage angesetzt, kann das zweite Wahlrecht spätestens in der Bilanz des nach dem 29.06.2023 endenden Wirtschaftsjahres einmalig neu ausgeübt oder eine frühere Ausübung dieses Wahlrechtes zurückgenommen werden. Liegen die Voraussetzungen für die Ausübung des Zweiten Wahlrechts (siehe oben) nicht vor, ist das vertraglich vereinbarte Pensionsalter bei der Ermittlung des Teilwerts der Pensionsanwartschaft zugrunde zu legen.

Altersvorsorgeaufwendungen zu kapitalbildenden Lebensversicherungen

Beiträge zu kapitalbildenden Lebensversicherungen sind auch dann nicht den als Sonderausgaben abziehbaren Beiträgen zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung gleichzustellen, wenn die gesetzlichen Regelungen der Versorgungseinrichtung die Möglichkeit eines Dispenses von der Beitragspflicht wegen des vorherigen Abschlusses einer Lebensversicherung vorsehen. 

Der eindeutige Gesetzeswortlaut schließt es nach Auffassung des BFH – so der Beschluss vom 13.01.2022 – X B 82/21 – aus, die erbrachten Altersvorsorgeaufwendungen als Beiträge zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung anzusehen. Das Gericht fordert eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen dem Leistenden und dem Empfänger der Beiträge. Eine solche Beziehung bestand im Streitfall nicht. Der Kläger war als Rechtsanwalt zwar Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung; von einer Beitragspflicht war er aber befreit. Das Versicherungsunternehmen, mit dem er im Jahr 1993 Kapitallebensversicherungen abgeschlossen hatte und zu dem er in den Streitjahren Beiträge erbrachte, war jedoch keine berufsständische Versorgungseinrichtung, sondern ein hiervon rechtlich unabhängig agierender Lebensversicherer.

Zu guter Letzt ein Blick über die Grenze …

Sozialversicherungsbeiträge bei steuerfreien Auslandseinkünften sind als Sonderausgaben zu berücksichtigen, wenn sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit in einem EU-/EWR-Mitgliedstaat oder in der Schweiz erzielten Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit stehen, diese Einnahmen nach einem Doppelbesteuerungsabkommen in Deutschland steuerfrei sind und der ausländische Beschäftigungsstaat keinerlei Abzug der mit den steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Beiträge in seinem Besteuerungsverfahren zulässt. 

Der BFH hat entschieden, dass für die Prüfung des Sonderausgabenabzugs in Deutschland eine zusammenfassende Beurteilung sämtlicher gezahlter Vorsorgeaufwendungen nicht zulässig ist. Vielmehr ist die jeweilige Versicherungssparte für sich zu beurteilen. Er hat daher in einem Streitfall die Beiträge zur Pflegeversicherung zum Sonderausgabenabzug zugelassen, da im ausländischen Staat lediglich die Renten- und Krankenversicherungsbeiträge absetzbar waren. In einer weiteren Entscheidung hat der BFH klargestellt, dass Beiträge zu einer bestimmten Versicherungssparte, die im ausländischen Beschäftigungsstaat im Besteuerungsverfahren abgezogen wurden, in Deutschland nicht noch einmal abgezogen werden können. Ein solcher „double dip“ könne weder aufgrund des nationalen Rechts noch aufgrund des Unionsrechts gefordert werden (BFH-Urteile vom 27.10.2021 – X R 11/20 und X R 28/20).

… und auf den Sonderausgabenabzug 2023

Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2022 wurde der bisher ab dem Jahr 2025 vorgesehene vollständige Sonderausgabenabzug von Altersvorsorgeaufwendungen auf das Jahr 2023 vorgezogen. Das führt für alle Bürger mit entsprechenden Aufwendungen in den Jahren 2023 und 2024 zu einer spürbaren Entlastung. Die Änderung erscheint dem Gesetzgeber vor dem Hintergrund der aktuellen BFH-Rechtsprechung (vgl. hierzu Urteile vom 19.05.2021 –  X R 20/19 und X R 33/19) notwendig, da mit dieser Maßnahme dazu beigetragen werden kann, auf langfristige Sicht eine „doppelte Besteuerung“ von Renten aus der Basisversorgung zu vermeiden.

Disclaimer

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