Unternehmen benötigen zur Erstellung ihrer Produkte und generell zur Verwaltung ihres Unternehmens eine Vielzahl unterschiedlichster Dienstleistungen. Für die Erbringung derartiger Dienstleistungen steht oft ein Freelancer (oder sog. „Ein-Mann-Unternehmen“) bzw. ein freier Mitarbeiter zur Verfügung, der seinerseits keine großen Unternehmensstrukturen besitzt. Hier beginnen die Probleme einer möglichen Scheinselbstständigkeit.
Werklohn oder doch sozialversicherungspflichtiger Arbeitslohn?
Wird ein freier Mitarbeiter beauftragt, so wird ihm aufgrund eines Werkvertrages ein vereinbarter Werklohn gezahlt. Der freie Mitarbeiter rechnet seine Mitarbeit im Unternehmen mit gesonderten Rechnungen ab.
Kein Werklohn sondern interne Personalaufwendungen und damit Arbeitslohn für den Auftraggeber kann jedoch auch bei der Beschäftigung eines freien Mitarbeiters entstehen. Nämlich dann, wenn der freie Mitarbeiter nach der zugrunde liegenden Vereinbarung zwar eine selbstständige Dienst- oder Werkleistung erbringen soll, tatsächlich aber wie ein Arbeitnehmer tätig wird.
Ob tatsächlich eine selbstständige Tätigkeit oder ein Arbeitsverhältnis vorliegt, hängt von etlichen Kriterien ab, die es unter dem Gesichtspunkt der Scheinselbstständigkeit zu würdigen gilt. Allgemeine Checklisten helfen in der Regel für eine rechtssichere Beurteilung hier nicht weiter.
Bei dem Einsatz von fremdem Personal im Unternehmen muss der Auftraggeber daher unter Anwendung der neuesten Kriterien der Rechtsprechung zu § 7 SGB IV prüfen, ob die Arbeit in Form einer abhängigen Beschäftigung oder aufgrund selbstständiger Tätigkeit erbracht wird.
Neues Gesetz zur Bekämpfung des Sozialleistungsmissbrauchs
Die Bundesregierung verschärft das Vorgehen gegen Scheinarbeit. Dazu hat das Bundesfinanzministerium das neue „Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch“ auf den Weg gebracht, das am 18. Juli 2019 in Kraft getreten ist. Das Gesetz stärkt den zuständigen Arbeitsbereich beim Zoll und erleichtert seine Arbeit. Genauer: Die „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ (FKS) erhält mehr Personal und Befugnisse. Auszug aus der Begründung zum Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch vom 11.07.2019:
Scheinselbständigkeit führt zu fehlender sozialer Absicherung bei den vermeintlich Selbständigen und belastet die Sozialsysteme. Die Prüfungs- und Ermittlungsbefugnisse der FKS werden deshalb erweitert, um künftig bei Verdacht auf Scheinselbständigkeit, auch ohne Kenntnis des konkreten Arbeitsortes, eine Prüfung beim Scheinselbständigen an der gemeldeten Betriebsstätte oder erforderlichenfalls an Amtsstelle durchführen und gegebenenfalls Ermittlungen vornehmen zu können.
Weitreichende Folgen bei Vorliegen einer Scheinselbstständigkeit
Im Regelfall verjähren diese Nachforderungen erst nach 4 Jahren, bei Vorsätzlichkeit sogar erst nach 30 (!) Jahren. Bei einer nachträglich festgestellten Scheinselbständigkeit entstehen in der Regel zusätzlich hohe Säumniszuschläge, die der Auftraggeber zusätzlich zu zahlen hat. Daneben können dem Auftraggeber bei der Beschäftigung von Scheinselbstständigen bei Vorsatz strafrechtliche Konsequenzen drohen.
Hinzu kommt, dass ein vermeintlich freier Mitarbeiter unter Umständen seinen Status als Arbeitnehmer gerichtlich beim beauftragenden Unternehmen einklagen kann. Wird dem Auftragnehmer der Arbeitnehmerstatus zuerkannt, erhält er dadurch auch alle arbeitsrechtlichen Ansprüche eines abhängig Beschäftigten ggü. dem Unternehmen: etwa auf Arbeitsentgelt, Urlaub, Kündigungsschutz oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Welche freien Mitarbeiter könnten betroffen sein?
Beispiele von freien Mitarbeitern, bei denen der Auftraggeber gegebenenfalls erhöhte Sorgfaltspflichten hinsichtlich einer möglichen Sozialversicherungspflicht einzuhalten hat:
- Unternehmensberater
- IT-Berater
- Programmierer
- Digitalisierungs-Experten
- Coaches
- Redakteure
Hinweis: Auch der Fremdpersonaleinsatz von besonders betroffenen externen Dienstleistern mittels Vermittlungsagenturen kann für einzelne Beteiligte ein wesentliches Gefährdungspotential darstellen. Ergänzend sind hier dann auch die Regelungen zur Arbeitnehmerüberlassung zu beachten.
Neues Statusfeststellungsverfahren ab 2022
Das Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV wurde verfahrensrechtlich grundlegend reformiert. Die Änderungen gelten zunächst zeitlich befristet vom 01.04.2022 bis 30.06.2027.
Künftig entscheidet die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund auf Antrag über den Erwerbsstatus des gesamten Auftragsverhältnisses. Dabei kann die Clearingstelle bei Vorliegen eines Fremdpersonaleinsatzes auch festellen, ob bei dem entleihenden Unternehmen eine abhängige Beschäftigung vorliegt. Es erfolgt nur noch eine Entscheidung über den Status, ob eine „abhängige Beschäftigung“ oder eine „selbstständige Tätigkeit“ vorliegt.
Dabei ermöglicht die Einführung einer Prognoseentscheidung als neues Instrument des Statusfeststellungsverfahrens die Feststellung des Erwerbsstatus bereits vor Aufnahme der Tätigkeit. Zur Beurteilung von gleichen Vertragsverhältnisse wurde als weiteres neues Instrument die Möglichkeit einer Gruppenfeststellung eingeführt.
Im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens wird die Versicherungspflicht zur Sozialversicherung grundsätzlich nicht mehr festgestellt. Die Feststellung einer Sozialversicherungspflicht bleibt einer gesonderten Beurteilung vorbehalten. So entscheidet zum Beispiel bei einer selbständigen Tätigkeit der zuständige Rentenversicherungsträger erforderlichenfalls über eine Versicherungspflicht zur Rentenversicherung.
Problematische Auftragsverhältnisse rechtzeitig erkennen
Wenn Unternehmen benötigte Dienstleistungen einkaufen, gilt ihr Augenmerk in erster Linie den maßgeblichen Kriterien der betreffenden Dienstleistung als solcher. Daneben sollte jedoch auch unbedingt auf den unternehmerischen Status des freien Mitarbeiters geachtet werden, damit dem Risiko einer Scheinselbstständigkeit von vornherein wirksam begegnet wird.
Für Unternehmen ist es also wichtig, das mögliche Risiko einer scheinselbstständigen Beschäftigung möglichst frühzeitig zu erkennen und bereits vor Auftragsbeginn zu klären. Erst wenn potenziell problematische Beauftragungsverhältnisse identifiziert sind, können sie einer gesonderten Prüfung zugeleitet werden.
Ohne entsprechende betriebliche Vorkehrungen besteht die Gefahr, dass prüfungsbedürftige Sachverhalte nicht entdeckt und im Weiteren unzutreffend behandelt werden. Daher ist es ratsam, diesen Themenbereich in ein innerbetriebliches Kontrollsystem für Steuern (Tax Compliance Management System) mit aufzunehmen bzw. entsprechende Compliance-Prozesse einzurichten. So können potenziell problematische Beschäftigungsverhältnisse rechtzeitig erkannt und ggf. einer Prüfung durch Spezialisten sowie im Bedarfsfalle einer Nachjustierung zugeführt werden.
Unterstützung zum Thema Beschäftigung freier Mitarbeiter
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